Die Steckdose Emeritus
Zur Steckdose Emeritus gibt es eine Übersetzung ins Englische von Christian A Vogl, The plug socket Emeritus. Dabei handelt es sich um eine eigenständige literarische Arbeit, auch wenn Vogl das bestreitet.
Niemals wollte Emeritus, als sie jung war, sterben. Doch irgendwann war es soweit und Emeritus starb. Ihr blondes Haupt, ihre Stupsnase, ihre kleinen Kugelbrüste und ihre dünnen, alten Beine verwandelten sich in eine nigelnagelneue Steckdose in einem Neubaugebiet (oder: Nigelnagelneubaugebiet). Dort leuchtete alles und glänzte, sowie es sich in buddhistischen Wohnsiedlungen gehörte. Hier ging es Emeritus gut. Denn in der Wohnung, in der sie eingebaut wurde, lebte noch niemand. Es war ihre beste Zeit. Sie konnte einfach nur so in der Wand stecken. Sie konnte nichts machen. Sie musste noch nicht mal schlafen, weil sie von nichts müde war. Es war schön, in dieser Wand zu sein, verbunden mit Kabeln, die ruhige Genossen waren, in einem sonnigen, leeren Raum. Doch irgendwann wurde das Zimmer mit Kartons vollgestellt, und lauter Menschen waren darin. Ein struppiger, länglicher Hund mit verschmitzten Augen schnupperte ab und an an ihr herum. Bis zu dem Tag, an dem Unx, der kleine weinerliche Junge mit den Tränen im Gesicht und dem Schleim an der Nase, der ab jetzt in Emeritus‘ Zimmer wohnte, seinen wurstigen Finger in sie hineinsteckte. Nicht umsonst heißt sie ja „Steck“dose! Mit einem Schlag überkam es sie und sie wurde gefüllt mit elastischem Strom, den sie vorher nie gespürt hatte, und es tat ihr richtig weh, so vollgeströmt zu werden, und es war ihr ganz eklig dabei, aber im selben Moment kam so ein bizarres Gefühl der Entspannung in sie hinein und breitete sich langsam in ihr aus, so eine Art Trance, die noch weitere Stunden anhielt, nachdem Unx an dem Stromschlag gestorben war. Emeritus mochte das irgendwie. Diese Mischung aus Schmerz und Lust. Und sie witterte jahrelang auf den nächsten kleinen, wurstigen Finger.