Die maximale Korrespondenz
Ein historisches Pamphlet
Ea lebt schon seit einer Weile mit ihren Menschen im Thüringer Wald. Die Höhle, in der sie vor einer Schwundzeit eingezogen sind, haben sie „Röhl“ getauft und ein anhaltendes, nicht ausgehendes Feuer angezündet, das schön warm hält. In diesem Junimonat werden es hier zwar bis zu 5 Grad Celcius, aber die Celciusse sind noch nicht erfunden, daher zündet Eas Trupp pro Forma einfach überall ein andauerndes Feuer an, das sie auch nicht ausmachen, wenn sie die Höhle wechseln (außer wenn Is es merkt, der macht es natürlich aus, denn er möchte nicht einen Fußabdruck hinterlassen: nicht einen einzigen).
Eas Geweihschlüpfer schützt sie vor den Grabschern der Anderen wie Ens oder Ochen, und wenn Is in die Höhle steigt, elegant und klug, legt sie den Schlüpfer eh immer ab, damit er sie streicheln kann. Gut, dass Im überlebt hat, ihr kleiner und einziger Sohn, mit Eo, dem schwarzen, kleinen Wolf, ihre steten engen Begleiter. Sie hat sich auch einen kleinen Bonsai aus einem Mammutbaum gezüchtet, über den sich alle lustig machen. Sie atmet jeden Morgen und jeden Abend tief darin ein und aus, und bildet sich ein, dass ihr das ewige Gesundheit bringt. Was geklappt hat, denn mit ihren 35 Jahren gilt sie als Ur-Ur-Ur-Steinoma, die nur von Is noch begehrt und geplfegt wird, der eigentlich auch schon lange tot sein müsste, im Vergleich zu den Anderen in der Gruppe.
Eo, Eas Wölfchen, hat eine Verhaltensstörung und hatte sich deshalb ausversehen einem Menschenrudel angeschlossen. Oder er sieht nicht so gut. Auch ist er ganz klein nur, wächst gar nicht weiter, und hat eine hohe Stimme beim Jaulen. Jedenfalls musste ihn Ea schon mehrmals aus den Flammen retten (daher seine nackten Stellen am Körper), denn Is und die anderen Männer würden ihn gerne essen, da er aus deren Sicht keinen konkreten Zweck in die Wohngesellschaft bringt. Ea findet schon, zum Beispiel, dass Im und sie ihn als Wärmflasche benutzen, oder als bequemes Kopfkissen, auch wenn sie nicht abstreitet, dass es ein Luxus ist, einen Kuschelwolf mitzubollern.
Im Morgengrau des Thüringer Eiswaldes genießt Ea ein Stück Nasenbeere, von denen ihr Is manchmal welche mitbringt. Er hat auch einen Feuerverbrenner gebastelt, für all jene, die sich zu viel Feuer nehmen zum Duschen, oder die den Feuerhahn auf die falsche Seite gedreht haben. So dass es immer auf ganz leichter Flamme brennt, und niemand die Gruppe entdeckten kann, andererseits sie genügend gewärmt und geschützt ist. Die Nasenbeere knackt im Mund, und noch bevor Im aufwacht und Is seinen Eistee gebrannt hat, möchte Ea etwas versuchen.
Sie möchte sich selbst in die Zukunft schreiben. Zum Beispiel in 300 000 Jahre, oder so. Am besten so, dass ihr wiederverkörpertes Ich die Nachricht noch entziffern kann, oder verstehen. Jetzt ist Im doch aufgestanden, vielleicht weil die anderen im Rudel aufgehört haben zu Schnarchen. Is hat es schön: sie beobachtet ihn, in seiner Ecke aus Zinnobersteinen, abgetrennt von den anderen, nur für sich allein, mit seinen Mathematikstöckchen.
Im Laufe des Tages sammelt Ea Eos vertrockneten Kot, mischt ihn mit Knallhotzen und bindet ihn in geläufige Stöcke ein. Die Nachricht ist klar: es steht drin, was drin steht. Dann klettert sie heimlich die Eiswaldklippe herauf und schmeißt das Knäuel in den endlosen Nebel, in die Rufe der Eisadler, in das Scharren der Kälte. Nie ist sie zufrieden, und nie ging es ihr so gut.
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Theresa wacht von einem dumpfen Geräusch auf. Ein Vogel oder etwas Schweres muss aufs Dachfenster geflogen sein. Benommen von der morgendlichen Stunde öffnet sie es leicht, und ein kugelartiges Stück Gestank klatscht auf den Boden. Sieht aus wie ein Geröll, oder eine Eulenkotze.
Dann öffnet Theresa die verstockte Nachricht, liest sie, auf dem Bett sitzend, und fällt lächelnd zurück.