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Hobbybobby und der Hefezopf

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Als Bobby zwölf Jahre alt war, hockte sie draußen auf dem Bürgersteig und drückte Zahnpasta in ein lebendiges Schneckenhaus. Die Schnecke starb elendlich. Bobby lachte schadenfroh in die Luft. Doch sogleich furzte eine geringelte Hexenschlange aus dem Gebüsch und lispelte: „Na du?“

Dieser Fluch verfolgte Bobby Stunde um Stunde, Tag um Tag, Jahr um Jahr, und Jahrzehnt. Sie konnte kein Auge mehr zudrücken, ohne an die gespaltene flauschige Schlangenzunge zu denken, an den gemeinen Grinseblick, die gelben Ziehaugen. Bobby war verflucht.

Zunächst schaffte Bobby es nicht, sich als Mensch zu etablieren. Denn sie fand keine normale Arbeit. Eine normale Arbeit muss langweilig sein, oder gut bezahlt, aber wenigstens mit festen Arbeitszeiten und einem Büro oder so etwas, und mit einem Kollegium. Sie sollte keinen Spaß machen, und man sollte sich auf den Urlaub freuen. Bobby hasste aber Urlaub. Bobby arbeitete immer Sachen, die ihr Spaß machten, und sie arbeitete Tag und Nacht daran, und verdiente ein bisschen damit, und dann hatte sie lauter langwierige Projekte, die ihr aber irgendwie alle wie Hobbys vorkamen.

Sie ließ sich also offiziell umbenennen und hieß ab dem 1. Oktober nunweg Hobbybobby. Natürlich tat sie das auch, um Widersprüche zu vermeiden, oder Missyverständnissys. Als sie Wobbytobby kennenlernte, war sie bereits weit über dreißig, und immer noch eine Hobbybobby. Wobbytobby war weit über fünfzig und sehr klug. Er sah auch gut aus. Hobbybobby wollte seine Liebe zu ihr gewinnen.

Sie dachte nach: einen Blowbob kann ihm jede machen. Nicht so gut wie sie selbst, natürlich, aber damit gewinnt man keine Liebe eines Wobbys. Auch alltägliche Freuden wie Küssen oder Schmusen werden ihm nichts ausmachen, da er nicht so darauf geeicht zu sein scheint.

Da kam ihr die Idee: sie musste ihm sein Leibgebäck herzaubern, einen richtig bobbyigen saftigen Hefezopf. Sicher fehlt ihm das von zuhause, von seiner Kindheit, von seinem Irgendwas her. Und so ward es: Wobbytobbys Augen funkelten bei dem Gedanken, dass Hobbybobby einen Hefezopf buk.

Weich musste er sein, mit kleinen Löchern drin, zart und zugleich angenehm, auch irgendwie schmusig im Mund, nicht zu hart und nicht zu unhart. Ganz fein sollte er schmecken, und seine Liebeslust anfacheln, beim Genuss dieses fetzigen Riesengebäcks.

Doch zu Hobbybobbys Leiderfahrung wurde der erste Hefezopf ganz klein. Und platt. Er war hart wie eine geteerte Straße, braun wie eine Leiche und stank nach Asche. „Macht nichts“, sagte Wobbytobby, und aß ihn trotzdem auf.

Hobbybobby machte sich nichts draus und probierte es nach zwei Wochen wieder. Diesmal hatte sie recherchiert: aus über 1023 Rezepten fügte sie den Mittelwert der Zutaten zusammen, knetete ein bisschen und schloss die Augen, damit ihr guter Wille in den Teig drang. Doch auch dieses Mal sollte es nicht sein: Der Teig ging nicht auf.

Beim dritten Mal machte sie es besser: sie stellte den mit viel Liebe und Zuversicht gekneteten Teig frohen Mutes in den Backofen, sicher und gewiss, dass er jetzt aufginge. Allerdings war er schon gebacken, als sie ihn herauszog.

Und der Schrecken nahm kein Ende. Jeder weitere Versuch eines Hefezopfs trieb Hobbybobby in den Wahnsinn: zu hart, zu klein, nicht aufgegangen, Kuhfladengeschmack, zu viel Mehl, zu viel Zucker, zu wenig Mehl, zu viel Ei, zu viel Einerlei, zu lange, zu kurz, zu Hurz.

Und es sollte ihr nicht gelingen. Das war der Fluch der Hexenschlange aus dem Gebüsch. „Na du?“ kicherte deren Stimme in Hobbybobbys Ohr, als sie augentränend versuchte, einen neuen Teig zu kneten. Wobbytobby hingegen machte sich Sorgen um sie, und half ihr diesmal beim Backen. Mit seinen muskulösen Armen rührte er den Teig zwei Stunden lang. Formte ihn zu delikaten Würstchen, die Hobbybobby geschickt zu einem Zopf flocht.

Heraus kam der größte, fluffigste und vor Stolz platzendste Hefezopf, den sie beide je gesehen haben. Wobbytobby biss ab und fiel fast in Ohnmacht vor Genuss. Beide bekamen einen Orgasmus vor Geschmackslust, denn der warme weiche Teig in ihrem Mund tat Dinge, die sich ein normaler Mensch nicht erahnen kann. Von denen er nichts weiß. Es war der schönste Tag ihres Lebens.

Wobbytobby und Hobbybobby sind seitdem unzertrennlich. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann backen sie noch heute.

Und die Moral von der Geschicht: schmier in Schneckenhäuser Zahnpasta nicht.

Und die zweite Moral der Geschicht: Zusammen hält besser.

Und die dritte: Geduld ist mehr wert als Schuld.

(Diese autobiographische Erzählung beruht auf wahren Begebenheiten, die nichts mit der Realität zu tun haben. Ähnlichkeiten mit sich ereigneten Ereignissen sind rein zufällig und absichtlich gewählt.)